Mercedes Diesel: Wie stark ist Mercedes vom Abgasskandal betroffen? Wie stehen Fahrzeugeigentümer rechtlich da?

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Berlin, 19.07.2017– Die Medien berichteten vergangene Woche, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart Büroräumlichkeiten bei der Daimler AG im Zusammenhang mit mutmaßlich illegalen Abschalteinrichtungen bei Dieselfahrzeugen durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt hat.

Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bisher nur um einen bloßen Verdacht handelt, in Daimler Fahrzeugen könnten derartige Abschaltvorrichtungen verbaut sein, bewiesen ist noch nichts. Es bleibt abzuwarten, was die Auswertung der Unterlagen durch die Staatsanwaltschaft ergibt. Allerdings: Ohne einen gewissen Anfangsverdacht erfolgen üblicher Weise keine Durchsuchungen.

Auch standen alle Autohersteller vor den gleichen technischen Schwierigkeiten: Die Fahrzeuge hatten und haben die immer strengeren gesetzlichen Emissionsvorschriften einzuhalten. Waren die Mercedes-Ingenieure so viel besser als die VW-Techniker und haben eine „Lösung“ ohne manipulative Abschaltvorrichtungen gefunden? Es wäre dem traditionsreichen Stuttgarter Autobauer zu wünschen, da es für ihn sonst sehr teuer werden dürfte. Derzeit allerdings ergeben sich wegen der Durchsuchungen starke Zweifel daran.

Rechtsanwalt Hendrik Bombosch von CLLB Rechtsanwälte möchte hier versuchen, die für die Mercedesfahrer sich ergebenden (juristischen) Fragen zu beantworten, die sich stellen, falls sich der Verdacht bestätigen sollte, dass sich in Mercedes Benz Fahrzeugen tatsächlich illegale Abschaltvorrichtungen finden sollten.

  1. Was sind solche Abschaltvorrichtungen?

Diese Vorrichtungen (d. h. die Motorsteuerungen, genauer die Motorsteuerungssoftware) sind in der Lage zu erkennen, ob ein Auto sich auf einem Prüfstand befindet und einen Abgastest absolviert. Erkennt das Fahrzeug dies, aktiviert die Software einen anderen Betriebsmodus, bei dem eine höheren Abgasrückführung durchgeführt wird, sodass es zu einem gegenüber dem normalen Fahrbetrieb verminderten Schadstoffausstoß kommt. So arbeitete die unzulässige Software in Fahrzeugen des VW-Konzerns.

  1. Warum gibt es solche Abschaltvorrichtungen?

Für VW gilt: Kosten konnten wohl gespart und mögliche technische Probleme umgangen werden. Teure technische Lösungen, die die Stickoxidemissionen um bis zu 90 % reduzieren können – wie z. B. die AdBlue-Technologie – wurden eingespart. Die scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte brachten einen Wettbewerbsvorteil.

Zudem wird das Abgasrückführungssystem (AGR-System) geschont, wenn es weniger oft aktiviert ist. Sachverständige äußerten den Verdacht, dass es bei einem dauerhaften AGR-Betrieb zu einem zu starken Rußbefall kommen könnte, der sich negativ auf die Dauerhaltbarkeit des Motors auswirken könnte.

Bei permanentem Betrieb könnte zudem ein erhöhter Wartungsaufwand erforderlich sein, da der Dieselpartikelfilter (DPF) öfter gewechselt werden müsste. Die Kosten einer DPF-Reinigung bzw. eines Tausches liegen regelmäßig im 4stelligen Bereich.

Sollte Mercedes-Benz ähnliche Vorrichtungen verbaut haben, dürfte dies aus den gleichen Gründen geschehen sein.

  1. Was ist an den Abschaltvorrichtungen illegal?

Das Landgericht Arnsberg hat es wie folgt zusammengefasst: Ein Käufer dürfe erwarten, dass die in der Testphase laufenden stickoxidverringernden Prozesse auch im realen Fahrbetrieb aktiv bleiben und nicht durch den Einsatz von Software deaktiviert bzw. nur im Testzyklus aktiviert werden. Anderenfalls wäre die Überprüfung und Angaben von Stickoxidwerten – wenn auch nur unter Laborbedingungen – Makulatur.

Mit anderen Worten: Die vom Autohersteller angegebenen Stickoxidemissionen, die dem Käufer etwas über die Umweltfreundlichkeit des Autos sagen sollen, haben nichts mit dem zu tun, was im realen Fahrbetrieb vom Auto emittiert wird. Dies stellt eine illegale Täuschung der Käufer dar.

Nicht nur die Käufer wurden so getäuscht, sondern auch die Behörden, die die Motoren für den Betrieb auf öffentlichen Straßen zertifiziert haben. Tatsächlich könnten die Emissionswerte zulässige Schadstoffgrenzen überschreiten, was einem Erlöschen der Betriebszulassung führen könnte. Folge: Das Auto dürfte nicht mehr gefahren werden.

Auch könnte dies zu einem Erlöschen des Haftpflichtversicherungsschutzes führen, so das LG Arnsberg in einem Urteil vom 24.03.2017.

Aktuell werden Diesel-Fahrverbote in Innenstädten diskutiert. Auch von solchen Fahrverboten könnten die in Rede stehenden Fahrzeuge betroffen sein.

Dürfen betroffene Dieselfahrzeuge nicht mehr in den Innenstädten bewegt werden, wird dies zu massiven Wertverlusten der Fahrzeuge führen.

Welche Mercedes Modelle sollen betroffen sein?

Unter Verdacht stehen Diesel-Fahrzeuge, bei denen Motoren des Typs OM 642 und OM 651 verbaut sind.

Der OM 642 ist ein V6- Dieselaggregat (2987 ccm), das in verschiedenen Leistungsstufen seit 2005 in PKW aller Serien („ab der C-Klasse aufwärts), Sprinter und SUV eingebaut wurde.

Der OM 651 ist der seit 2008 meistverbaute Dieselmotor in der Firmengeschichte. Das Dieseltriebwerk gibt es in zwei Ausführungen mit 1796 ccm und 2143 ccm. Der Motor wurde in nahezu allen Modellreihen eingebaut, von der A-Klasse über verschiedene SUVs und Transporter bis hin zur S-Klasse.

Mehr als einer Million Autos könnten betroffen sein, die in Europa und in den USA mit diesen Motoren verkauft wurden.

  1. Welche Rechte haben betroffene Fahrzeugkäufer?

Hierzulande kommen zwei verschiedene Anspruchsarten in Betracht: Es können Mängelgewährleistungsansprüche bestehen und sog. deliktische Ansprüche, insbesondere Ansprüche wegen einer vorsätzlich sittenwidriger Schädigung der Käufer (§ 826 BGB).

Anspruchsgegner können die Fahrzeugverkäufer und die Hersteller sein. Eine erste Klage wurde Zeitungsberichten zufolge daneben bereits auch gegen den Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG Zetsche eingereicht. Ob das nun in Bezug auf eine Fahrzeugrückgabe zielführend ist, muss sich jeder selbst überlegen.

Kaufgewährleistungsansprüche setzen voraus, dass das Fahrzeug einen Mangel aufweist. Zahlreiche Gerichte haben zu Fahrzeugen des VW-Konzerns bereits bestätigt, dass ein mit einer illegalen Abschaltvorrichtung ausgerüstetes Fahrzeug mangelhaft ist.

Die Frage, ob Käufer dem Anspruchsgegner eine Frist zur Mangelbeseitigung setzen müssen und wie lange diese ggf. ist, wurde von den Gerichten unterschiedlich beantwortet. Teilweise wurde dies für entbehrlich gehalten, da aufgrund des massiv gestörten Vertrauens zwischen Fahrzeughersteller und Fahrzeugfahrer eine Nachbesserung durch den Hersteller unzumutbar sei. Andere Gerichte zweifelten in Bezug auf Fahrzeuge des VW-Konzerns an der Geeignetheit der von VW angebotenen technischen Lösung, das Auto in einen dauerhaft mangelfreien Zustand zu versetzen. Weitere Gerichte verlangten hingegen, dass eine solche Frist gesetzt wird.

Ebenfalls unterschiedlich wird die Frage beantwortet, ob sich VW-Käufer auf die vom Hersteller für erste Modelle angebotene, vom Kraftfahrbundesamt freigegebene Mangelbeseitigungsmaßnahmen einlassen müssen. Etliche Gerichte haben dies verneint, da die (Spät-)folgen dieser Fahrzeugmodifikation in Bezug auf Dauerhaltbarkeit, Verbrauch etc. nicht sicher absehbar seien. Andere Gerichte haben dies wegen dem gestörten Vertrauensverhältnis zwischen Fahrzeughersteller und Autofahrer verneint.

Zumeist beanspruchen die Käufer eine Rückgabe des Fahrzeugs gegen Erstattung des Kaufpreises, wobei Abzüge für die bisherige Nutzung des Autos geltend gemacht werden.

Es kommt aber auch die Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs in Betracht. Einige Gerichte haben sogar einen Anspruch auf Lieferung eines vergleichbaren, mangelfreien Neufahrzeugs ohne Nutzungsabzug zugesprochen.

Bei den kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen ist die relativ kurze Verjährungsfrist von 2 Jahren problematisch, die bei Annahme einer arglistigen Täuschung ggf. auch drei Jahre beträgt.

Für den Fahrzeugeigentümer sind deliktische Ansprüche unter Verjährungsgesichtspunkten günstiger. Im Falle einer vorsätzlich sittenwidrigen Täuschung, die diverse Gerichte bei VW-Fällen angenommen haben, tritt eine Verjährung drei Jahre ab Kenntnis, spätestens aber nach 10 Jahren ein. Auch mit Hilfe eines deliktischen Anspruchs kann die Rückzahlung des Kaufpreises bei Rückgabe des Fahrzeugs erreicht werden, wobei auch hier für die Nutzung des Fahrzeugs Abzüge vorzunehmen sind.

  1. Gilt das auch für Käufer von Gebrauchtfahrzeugen?

Zu Gebrauchtfahrzeugen finden sich ähnliche Urteile wie zu Neufahrzeugen. 

  1. Was ist mit Leasingfahrzeugen?

Hier ist zunächst zu prüfen, was zur Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen im individuellen Leasingvertrag geregelt ist und ob das Fahrzeug vom Hersteller oder einem Drittanbieter geleast wurde.

Einige Juristen vertreten die Ansicht, dass der Leasingnehmer sogar verpflichtet sein könnte, Mängelgewährleistungsrechte durchzusetzen, weil der Leasinggeber dies nach der Fahrzeugrückgabe wegen einer dann eingetretenen Verjährung nicht mehr tun kann. Ohne Abstimmung mit dem Leasinggeber sollte der Leasingnehmer aber nach Auffassung von RA Bombosch nichts unternehmen.

  1. Was sollten betroffene Fahrzeughalter jetzt tun?

Die Rechtslage ist komplex, weshalb sich Fahrzeugbesitzer, die sich getäuscht fühlen und über die Geltendmachung von Ansprüchen nachdenken, zeitnah juristisch beraten lassen sollten.

Wer von seinem Autohersteller wegen des Abgasskandals in die Werkstatt gerufen wird, sollte dem nicht ohne weiteres nachkommen, sondern sich zunächst rechtlich beraten lassen. Eine Nachbesserung könnte dazu führen, dass Gewährleistungsansprüche entfallen, da Gerichte ein Auto dann als mangelfrei ansehen könnten.

Mit der Materie vertraute Anwälte können den Fahrzeugkäufer über die individuelle rechtliche Situation informieren und auch einschätzen, ob und wie lange es sich ein Fahrzeugkäufer evtl. leisten kann abzuwarten, bis Gewissheit herrscht, ob in Mercedes Benz Diesel-Fahrzeugen illegale Abschaltvorrichtungen verbaut wurden.

Ist der Fahrzeugeigentümer rechtsschutzversichert, sollte die Versicherung von Anfang an mit Hilfe des eigenen Anwalts in die Prüfung und Geltendmachung der Ansprüche eingebunden werden. Die Versicherungen übernehmen in diesen Fällen oft die Anwalts- und Gerichtskosten.

CLLB Rechtsanwälte haben deutschlandweit auf diesem Gebiet rechtliche Erfahrungen durch die Vertretung zahlreicher VW-Diesel Fahrer gesammelt, die ggf. auch Mercedes-Diesel Eigentümern nützlich sein können.

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