Wirecard – Schadenersatzanspruch der Anleger gegen Wirtschaftsprüfer EY

München, 13.12.2021. Im Wirecard-Skandal haben Anleger gute Aussichten auf Schadenersatz. Wie das OLG München nun in einem von der Kanzlei CLLB Rechtsanwälte erwirkten Hinweisbeschluss vom 09. Dezember 2021 deutlich machte, können Schadenersatzansprüche gegen die Wirtschaftsprüfer EY bestehen, die der Wirecard AG über Jahre ein unrichtiges Testat ausgestellt haben (Az.: 8 U 6063/21). In dem Hinweisbeschluss hatte das OLG München ein für den Anleger negatives Urteil des Landgerichts München deutlich beanstandet, welches die Klage eines Anlegers abgewiesen hatte. So führte das OLG München aus, dass das klageabweisende Urteil an „mehreren erheblichen Rechts- und Verfahrensfehlern“ leide.

Zur Erinnerung: Obwohl die Bilanzen der Wirecard AG nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vermutlich schon seit 2015 „frisiert“ waren, haben die Wirtschaftsprüfer von EY dem Unternehmen Jahr für Jahr wieder ein uneingeschränktes Testat erteilt. Erst nach einem Sonderprüfungsbericht wurde das Testat für den Jahresabschluss 2019 verweigert. „Anleger vertrauen natürlich auf ein uneingeschränktes Testat. Daher haben wir für unseren Mandanten Schadenersatzansprüche gegen die Wirtschaftsprüfer geltend gemacht, die offensichtlich nicht genau hingesehen und ihre Prüfungspflichten vernachlässigt haben“, sagen die Rechtsanwälte Franz Braun und Nikola Breu der Kanzlei CLLB Rechtsanwälte.

Das OLG München bestätigte in dem Hinweisbeschluss zum einen, dass das Landgericht von den Anlegern bislang überzogene Angaben zur Kausalität verlangt hatte. Denn das Landgericht hatte von den Klägern bislang sehr präzise Angaben gefordert, ob, wann und wie sie die Geschäftsberichte der Wirecard AG und die Testate von EY zur Kenntnis genommen hatten.

Das OLG München stellte nun zum einen klar, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH ein kausaler Zusammenhang zwischen einem fehlerhaften Bestätigungsvermerk und einer Kaufentscheidung eines Anlegers auch vorliegen kann, wenn der Anleger den Geschäftsbericht selbst gar nicht gelesen hat. Denn zum einen könne es bei einem DAX-Unternehmen genügen, dass durch den Bericht eine positive Anlagestimmung für das Wertpapier entsteht und diese auf den Anleger wirkt. Eine solche positive Anlagestimmung könne auch durch einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der Wirtschaftsprüfer erzeugt werden. Außerdem könne aber auch unabhängig von einer solchen positiven Anlagestimmung ein entsprechender Erfahrungssatz aufgrund des gewöhnlichen Laufs der Dinge den Anlegern im Rahmen der Kausalität zugutekommen.

Denn hätten die Wirtschaftsprüfer der Wirecard AG das Testat früher verweigert, wäre vermutlich auch die Aktie früher eingebrochen und der Insolvenzantrag eher gestellt worden. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Anleger die Aktien dann nicht erworben hätte. Denn es sei äußerst unwahrscheinlich, dass ein Anleger noch Aktien kauft, wenn bereits ein Insolvenzverfahren droht, führte das OLG München aus.

Außerdem stellte das OLG München klar, dass Schadensersatzansprüche gegen die Abschlussprüfer wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB durchaus bestehen können. Die Ansprüche kämen in Betracht, wenn das Testat nicht nur unrichtig ist, sondern der Wirtschaftsprüfer seine Aufgabe nachlässig erledigt hat und beispielsweise nur unzureichende Ermittlungen angestellt oder Angaben ins Blaue hinein gemacht hat.

Angesichts der Bedeutung eines Bestätigungsvermerks, z.B. für eine Anlageentscheidung, könne dieses Verhalten „gewissenlos“ erscheinen, so das OLG München. Die Frage, ob die Abschlussprüfer EY hier vorsätzlich gehandelt haben, könne aber überhaupt nur dann sachgerecht beantwortet werden, wenn vorher geklärt wird, in welchen Punkten die Geschäftsberichte Fehler enthalten. Das OLG München rügte weiter, dass das Landgericht sich mit der Frage, ob hier eine Pflichtverletzung der Abschlussprüfer vorlag, viel zu oberflächlich befasst habe.

Da es dem Landgericht wohl an „eigener Sachkunde“ fehle, um die von der Kanzlei CLLB vorgetragenen Pflichtverletzungen von EY, welche durch das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG substantiiert werden, beurteilen zu können, hätte das Gericht zum einen ein Sachverständigengutachten einholen müssen.

Ferner habe das Landgericht aber auch den von der Kanzlei CLLB Rechtsanwälte vorgelegten Bericht des Wirecard-Untersuchungsausschusses des Bundestages „gehörswidrig“ zum Nachteil der klagenden Anleger ignoriert.

Da das Landgericht nicht ausreichend in die Beweisaufnahme eingestiegen ist, wird das OLG das Verfahren vermutlich an das Landgericht zurückverweisen.

„Die Einschätzung des OLG München zeigt, dass Wirecard-Anleger gute Aussichten haben, Schadenersatz durchzusetzen“, so die Rechtsanwälte Franz Braun und Nikola Breu von CLLB Rechtsanwälte.

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