Das Auffinden eines Testaments nach dem Tod des Erblassers löst nicht immer Freude bei den Angehörigen aus. Denn der Erblasser kann durch letztwillige Verfügung grds. nach freiem Belieben über sein Vermögen verfügen und muss sich nicht von familiären Bindungen leiten lassen oder sich an etwaige mündliche Versprechungen halten. Erfahren Angehörige im Rahmen der Testamentseröffnung erstmals, dass sie vom Erblasser gar nicht oder nur unzureichend bedacht wurden, stellen diese sich häufig die Frage, ob die von ihnen als ungerecht empfundene letztwillige Verfügung überhaupt wirksam ist.
Tatsächlich können letztwillige Verfügungen aus verschiedenen Gründen unwirksam oder zumindest anfechtbar sein. Das gesamte Testament oder Teile davon finden dann keine Anwendung und es greift stattdessen die gesetzliche Erbfolge, was für die nahen Angehörigen dann unter Umständen viel vorteilhafter sein kann. Wir erklären, wann eine letztwillige Verfügung unwirksam oder anfechtbar sein kann.
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Formunwirksamkeit von letztwilligen Verfügungen
Ein Testament ist unwirksam, wenn der Erblasser die vom Gesetz vorgeschriebene Form für die Errichtung des Testaments nicht eingehalten hat. Hat der Erblasser beispielsweise ein mit dem Computer oder der Schreibmaschine geschriebenes Testament erstellt, ist dieses unwirksam, da ein Testament – von Ausnahmen wie z.B. der der notariellen Form einmal abgesehen – gemäß § 2247 Abs. 1 BGB immer handschriftlich vom Erblasser verfasst und eigenhändig unterschrieben werden muss.
- Auch wenn z.B. Teile des Testaments von einem Dritten geschrieben sind, selbst wenn dies im Auftrag und mit Willen des Erblassers erfolgte, sind diese Teile und eventuell sogar das ganze Testament unwirksam.
- Nimmt ein handschriftliches Testament Bezug auf maschinengeschriebene Schriftstücke, kann es ebenso unwirksam sein.
- Nach derzeit herrschender Auffassung sind auch sog. „Tablet-Testamente“, d.h. Testamente die der Erblasser auf dem Bildschirm eines digitalen Geräts eigenhändig z.B. mittels eines Eingabestiftes (Stylus, Touch-, der Smartpen) geschrieben hat, formunwirksam.
Ein weiteres Sonderproblem ist der Streit über die „Echtheit“ des Testaments, d.h. dass das Testament tatsächlich auch vom Erblasser erstellt worden war und keine Fälschung darstellt. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass das Testament eine Fälschung sein könnte, wird in der Regel ein Gutachten eines Sachverständigen für Handschriftenvergleich eingeholt.
Unwirksamkeit auf Grund von Testierunfähigkeit
Eine letztwillige Verfügung ist außerdem unwirksam, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht testierfähig war. Testierfähigkeit bedeutet dabei,
- dass der Erblasser weiß, dass er ein Testament errichtet,
- dass er sich ein klares Urteil über die Vor- und Nachteile der einzelnen Anordnungen bilden kann und
- dass er nach diesem Urteil frei von Einflüssen Dritter den Inhalt des Testaments selbst bestimmen kann.
Testierunfähig sind gem. § 2229 BGB z.B. Minderjährige unter 16 Jahren und Personen, die „wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen einer Bewusstseinsstörung“ nicht in der Lage sind, die Bedeutung des von ihnen verfassten Testaments einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Die Frage der Testierfähigkeit stellt sich insbesondere, wenn der Erblasser psychisch krank oder dement war. Auch bei chronischem Drogen-, Alkohol- und/oder Tablettenmissbrauch kann Testierunfähigkeit gegeben sein.
Die Darlegungs- und Beweislast für die Testierunfähigkeit trägt dabei derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit des Testaments beruft.
Die Frage der Testierfähigkeit stellt sich in der Praxis häufig bei unter Betreuung stehenden Personen. Anders als früher die sog „Entmündigung“ (die es heute nicht mehr gibt), hat die Anordnung einer Betreuung keine Auswirkungen auf die Geschäfts- oder Testierfähigkeit des Betreuten. Auch eine unter Betreuung stehende Person kann grundsätzlich wirksam ein Testament errichten; es sei denn, dass sie geschäftsunfähig ist. Die Anordnung einer Betreuung als solche begründet auch keine Vermutung der Testierunfähigkeit; sie gibt in der Regel aber Anlass zur Prüfung der Testierfähigkeit.
Die Testierunfähigkeit kann z.B. nachgewiesen werden durch:
- Urkunden (wie ärztliche Unterlagen, sonstige Schriftstücke)
- Zeugenaussagen (Angehörige, behandelnde Ärzte etc.)
- Sachverständigengutachten
- medizinische Gutachten und Stellungnahmen in Betreuungsakten
Bei einem notariellen Testament hat der Notar die Testierfähigkeit von Amts wegen zu prüfen. Er ist verpflichtet, sich vor der Beurkundung von der Testierfähigkeit des Erblassers zu überzeugen.
Unwirksamkeit auf Grund von Verstoß gegen gesetzliche Verbote
Eine Verfügung von Todes wegen kann ferner gem. § 134 BGB nichtig sein, wenn diese gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.
Von praktischer Bedeutung ist dabei z.B. § 14 HeimG (bzw. die korrespondierenden landesrechtlichen Vorschriften). § 14 HeimG sieht vor, dass sowohl dem Träger eines Heimes als auch Mitarbeitern des Heimes untersagt ist, sich von den Bewohnern des Heims Geld- oder geldwerte Leistungen (über das vereinbarte Entgelt) hinaus versprechen zu lassen.
Gerne beraten wir Sie, ob eine letztwillige Verfügung im Einzelfall nichtig ist, wenn diese Zuwendungen zu Gunsten des Heimträgers oder eines Heimmitarbeiters enthält.
Unwirksamkeit auf Grund von Sittenwidrigkeit
Eine Verfügung von Todes wegen kann ferner auf Grund von Sittenwidrigkeit nichtig sein gem. § 138 BGB. Dies kommt allerdings nur in sehr schwerwiegenden Ausnahmefällen in Betracht, da das Erbrecht von dem Grundsatz der Testierfreiheit bestimmt ist.
Eine Sittenwidrigkeit kann sich dabei nicht nur aus dem Handeln des Erblassers, sondern auch aus dem sittenwidrigen Handeln des Begünstigten ergeben. So kann ein Testament z.B. sittenwidrig sein, wenn ein Berufsbetreuer seine gerichtlich verliehene Stellung und seinen Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einer von ihm herangezogenen Notarin in seinem Sinne letztwillig zu verfügen (vgl. dazu OLG Celle, Urteil vom 7.1.2021 – 6 U 22/20).
Die Enterbung naher Angehöriger als solche ist im Hinblick auf die Testierfreiheit einerseits und die Einschränkung der Testierfreiheit durch das Pflichtteilsrecht andererseits grds. nicht sittenwidrig. Es steht dem Erblasser vielmehr frei, unter Übergehung seiner Familie z.B. einen Freund, Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder einen gleichgeschlechtlichen Lebenspartner zum Alleinerben einzusetzen. Umstritten ist, ob letztwillige Verfügungen die nahe Angehörige z.B. aus rassistischen oder religiösen Gründen diskriminieren, unwirksam sind.
Sittenwidrigkeit kann auch vorliegen, wenn der Erblasser den Bedachten durch das Testament zu einem Verhalten bestimmen will. Das OLG Frankfurt hielt die Erbeinsetzung der Enkelkinder unter der Bedingung, dass diese den Erblasser mindestens sechs Mal jährlich besuchen würden, für sittenwidrig, weil die minderjährigen Kinder dieser Besuchspflicht ohne Mitwirkung der Eltern, mit denen der Erblasser zerstritten war, nicht nachkommen konnten (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 5.2.2019 – 20 W 98/18).
Gerne beraten wir Sie, ob im Einzelfall eine Sittenwidrigkeit der letztwilligen Verfügung im Raum steht.
Anfechtbarkeit von letztwilligen Verfügungen
Auch wenn eine letztwillige Verfügung nicht unwirksam ist, kann diese oder können einzelne Teile davon unter Umständen durch eine Anfechtung zu Fall gebracht werden. Voraussetzung für eine wirksame Anfechtung ist eine Diskrepanz zwischen der Erklärung des Erblassers und seinem tatsächlichen Willen. Gemäß §§ 2078, 2079 BGB kann eine letztwillige Verfügung aus folgenden Gründen angefochten werden:
- Inhaltsirrtum (§ 2078 Absatz 1 BGB)
- Erklärungsirrtum (§ 2078 Absatz 1 BGB)
- Motivirrtum (§ 2078 Absatz 2 BGB)
- Bestimmung durch widerrechtliche Drohung (§ 2078 Absatz 2 BGB)
- Versehentliche Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten (§ 2079 BGB)
Adressat, Form und Frist der Anfechtung
Die Anfechtung eines Testaments erfolgt in der Regel durch Erklärung gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht. In bestimmten Fällen (z.B. bei der Anfechtung von Vermächtnissen oder Teilungsanordnungen) ist die Anfechtung gegenüber dem Begünstigten zu erklären.
Zusätzlich wichtig:
- Die Anfechtungserklärung muss in keiner besonderen Form erfolgen.
- Das Recht zur Anfechtung steht nur den Personen zu, denen die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustattenkommen würde.
- Die Anfechtung muss innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr seit Kenntnis des Anfechtungsgrundes, spätestens jedoch innerhalb einer Frist von 30 Jahren seit dem Erbfall, erklärt werden, § 2082 BGB.
Rechtsfolgen der Anfechtung
Grundsätzlich beschränkt sich die Anfechtung auf die vom Irrtum des Erblassers beeinflusste einzelne Verfügung, in bestimmten Fällen kann aber auch das gesamte Testament unwirksam sein.
Gerne beraten wir Sie, ob im Einzelfall ein Anfechtungsgrund vorliegt und Sie anfechtungsberechtigt sind. Außerdem unterstützen wir Sie dann bei der Geltendmachung dieses Anfechtungsrechts.
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