Ausstieg aus Verträgen über Online-Coaching – Urteil des OLG Celle

München, 25.07.2023. Unseriöse Online-Coachings versprechen den Teilnehmern häufig das Blaue vom Himmel. Umso größer ist die Ernüchterung, wenn sich die Versprechungen als Luftblasen erweisen. Trotz des ausbleibenden Erfolgs sitzen die Teilnehmer in ihren teuren Coaching-Verträgen fest. Hoffnung dürfte ihnen ein Urteil des OLG Celle vom 01.03.2023 machen. Das Gericht stellte klar, dass Verträge über Online-Coaching nichtig sind, wenn der Coach oder der Anbieter nicht über eine Zulassung für Fernlehrgänge gemäß § 12 FernUSG (Fernunterrichtsschutzgesetz) verfügt. Zahlreiche Online-Coaching-Verträge sind nach dem Urteil kündbar oder widerrufbar. Das gilt auch, wenn sie als Unternehmer und nicht als Verbraucher geschlossen wurden.

„So eine Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz liegt in den meisten Fällen nicht vor. Folge ist, dass die geschlossenen Verträge unwirksam sind und die Teilnehmer keine Zahlungen mehr leisten müssen. Besonders bemerkenswert ist, dass das auch gilt, wenn der Vertrag über das Online-Coaching als Unternehmer abgeschlossen wurde. Nach dem Urteil des OLG Celle haben somit sowohl Verbraucher als auch Unternehmer die Möglichkeit, aus dem Vertrag auszusteigen“, sagt Rechtsanwalt István Cocron, CLLB Rechtsanwälte.

Dass die Coaching-Verträge ohne die erforderliche Zulassung auch nichtig sind, wenn sie als Unternehmer abgeschlossen wurden, erweist sich in der Praxis als wichtig. Denn die Anbieter der Online-Coachings haben oft genau darauf geachtet, dass der Vertrag nicht als Verbraucher, sondern als Gewerbetreibender abgeschlossen wurde. Hintergrund ist, dass nur Verbraucher ein Widerrufsrecht haben.

Gerade für Unternehmer war es daher oft schwierig, aus einem Coaching-Vertrag wieder auszusteigen, doch nun hat ihnen das OLG Celle mit dem Fernunterrichtsschutzgesetz einen neuen Trumpf an die Hand gegeben. Bisher war die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass diese Regelungen nur bei Verbraucherverträgen Anwendung finden. Das OLG Celle hat nun klargemacht, dass auch Unternehmer durch das FernUSG geschützt sind. „Im Ergebnis sind damit viele Coaching-Verträge kündbar oder widerrufbar, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind und es sich nicht um reine Videokurse handelt“, so Rechtsanwalt Cocron.

In dem zu Grunde liegenden Fall vor dem OLG Celle hatte die beklagte Frau einen Vertrag über Online-Coaching mit einer Laufzeit von 12 Monaten geschlossen. Kosten: 2.200 Euro pro Monat. Kurz nach Vertragsschluss erklärte sie die Anfechtung sowie Widerruf und Kündigung des Vertrags. Der Anbieter akzeptierte den Widerruf nicht und verwies darauf, dass die Frau den Vertrag als Unternehmerin abgeschlossen und somit kein Widerrufsrecht habe. Er klagte daher auf die vollständig Zahlung der Coaching-Gebühren.

Dagegen wehrte sich die Frau mit Erfolg. In erster Instanz entschied das Landgericht Stade, dass der Anbieter wegen Wuchers keinen Anspruch auf die Zahlung habe. Denn es bestehe gemäß § 138 Abs. 1 BGB ein „besonders grobes auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.“

Das Urteil bestätigte das OLG Celle im Berufungsverfahren. Dabei stellte es nicht darauf ab, dass der Vertrag wegen Wuchers sittenwidrig sei, sondern verwies auf das Fernunterrichtsschutzgesetz. Demnach sei der Vertrag schon nichtig, weil der Kläger unstreitig nicht über die erforderliche Zulassung für Fernlehrgänge verfügt, so das OLG. Da das Gesetz auch Unternehmer schütze, sei es unwesentlich, ob die Frau den Vertrag als Verbraucherin oder Unternehmerin geschlossen habe. Der Vertrag sei nichtig. Die Frau müsse keine weiteren Zahlungen mehr leisten und könne bereits gezahlte Gebühren zurückfordern, entschied das OLG Celle.

„Da Coaches nur in Ausnahmefällen über eine Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz verfügen dürften, zeigt das Urteil eine Möglichkeit auf, aus Online-Coaching-Verträgen auszusteigen. Es kommen aber auch noch andere Wege in  Betracht, aus dem Vertrag auszusteigen, z.B. wegen Sittenwidrigkeit. Es muss im Einzelfall entschieden werden, welcher Weg der Beste ist“, so Rechtsanwalt Cocron.

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