Die auf Kapitalmarktrecht spezialisierte Kanzlei CLLB Rechtsanwälte hat in Zusammenarbeit mit der internationalen Rechtsanwaltskanzlei DRRT für eine Mandantin vor dem Landgericht Braunschweig Klage gegen die Porsche Automobil Holding SE und die Volkswagen AG eingereicht. Die Klägerin ist eine deutsche Prozessführungsgesellschaft, die gegen die beiden Beklagten Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformation geltend macht. Der Streitwert, der sich aus Ansprüchen deutscher und internationaler, institutioneller Investoren zusammensetzt, beläuft sich derzeit auf € 1.096.468.359,52.
Grund der Klage ist die von Porsche und VW zu verantwortende Kapitalmarktinformation während der im Jahr 2008 von Porsche versuchten Übernahme der VW AG. Die Klägerin hält diese Information für fehlerhaft. Danach haben viele institutionelle und private Anleger erhebliche Vermögensverluste in Zusammenhang mit VW-Aktien erlitten, weil Porsche in Bezug auf die Übernahme der VW AG insbesondere, aber nicht nur am 10.03.2008 und am 26.10.2008 falsche Angaben machte und auch VW unter Verstoß gegen Veröffentlichungspflichten (§ 15 WpHG) die wahre Sachlage verheimlichte.
Porsche hatte seine Beteiligung an VW seit dem Jahr 2005 immer wieder erhöht. Ende 2007 schien eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs den Weg für eine Übernahme von VW frei zu machen. Im Frühjahr 2008 waren dann im Markt konkrete Gerüchte aufgekommen, wonach Porsche eine Übernahme der VW AG, d.h. insbesondere auch den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, plane. Dem widersprach Porsche allerdings unverzüglich mit Meldung vom 10.03.2008. Danach sei eine Übernahme der VW AG nicht beabsichtigt und eine reine „Spekulation“. Das Dementi bekräftigte Porsche auch in der Folgezeit immer wieder.
Erst am 26.10.2008 veröffentlichte Porsche eine Meldung, in der – entgegen der ursprünglichen Veröffentlichung – „offenlegt“ wurde, dass die Übernahme der VW AG (nun doch) geplant sei. Zudem wurde nach Einschätzung der Klägerin der Eindruck erweckt, dass aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Anteilsaufstockung der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages gewissermaßen (nun doch) bereits bevorstehe. Aufgrund dieser „Offenlegung“ erreichte der Kurs der VW-Aktie, entgegen der allgemeinen Marktentwicklung mit zeitweise (d.h. am 28.10.2008) mehr als € 1.005,00 historische Höchststände.
Nach Auffassung der Klägerin waren die zwischen dem 10.03.2008 und dem 26.10.2008 veröffentlichten Kapitalmarktinformationen zur Übernahme der VW AG in mehrfacher Hinsicht unrichtig, weil Porsche am 10.03.2008 zum Einen die Übernahme tatsächlich sehr wohl bereits plante und diese Planung durch eine synthetische Optionsstrategie trotz entgegenstehender Aussagen auch umsetzte. Im Rahmen des nun eingeleiteten Zivilverfahrens soll die frühzeitige Beherrschungsabsicht insbesondere auch durch eine sachverständige Analyse der bereits öffentlichen Informationen zu den von Porsche zu den relevanten Zeitpunkten gehaltenen Optionspositionen belegt werden.
Nach Einschätzung der Klägerin war zum Anderen aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen, rechtlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen die ursprünglich beabsichtigte Übernahme am 26.10.2008 – entgegen der Behauptung Porsches – gar nicht mehr realistisch sondern rechtlich wie auch wirtschaftlich bereits unmöglich. D.h. die ursprünglich geplante, aber verheimlichte Übernahme stand am 26.10.2008 keineswegs (mehr) bevor. Dabei geht die Klägerin insbesondere davon aus, dass Porsche im Oktober 2008 aufgrund der zwischenzeitlich verschärften Finanzkrise gar nicht (mehr) damit rechnen konnte, dass nach Ausübung der Optionspositionen der Kaufpreis für den Erwerb der Beherrschungsmehrheit finanziert werden kann. Denn zu diesem Zeitpunkt herrschte erhebliche Zurückhaltung bei den Kreditinstituten und zusätzliche Kreditlinien waren so gut wie nicht zu bekommen.
Die Klägerin macht also geltend, dass beide Meldungen die tatsächliche Sachlage nicht zutreffend wiedergaben und nur der Manipulation des Kurses der VW-Aktien zugunsten von Porsche dienten. Diejenigen Anleger die in Unkenntnis der Übernahmeabsicht nach dem 10.03.2008 VW-Aktien verkauft haben, erzielten einen zu geringen Veräußerungserlös, weil die Übernahmepläne Porsches nicht eingepreist waren und diejenigen Anleger, die nach dem 26.10.2008 VW-Aktien gekauft haben, weil sie irrtümlich von einer bevorstehenden Übernahme ausgingen, haben einen zu hohen Preis gezahlt.
Dabei geht die Klägerin weiter davon aus, dass nicht nur die Porsche Automobilholding SE, sondern auch die VW AG haftbar ist. Denn, so die Argumentation der Klägerin, aufgrund der umfangreichen Verflechtungen zwischen Porsche und VW über deren Eigentümer, Aufsichtsräte und Vorstände war VW die wahre Sachlage, d.h. die Übernahmeabsicht Porsches, der enorme Umfang der Optionsstrategie und auch die Unrichtigkeit der Meldungen sehr wohl bewusst. Gleichwohl verzichtete VW auf eine Veröffentlichung oder zumindest Richtigstellung gemäß § 15 WpHG, obwohl es sich bei diesen Informationen um Insiderinformationen i.S.d. § 13 WpHG handelte, die geeignet waren, den Kurs der VW-Aktien erheblich zu beeinflussen.
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Wiedeking hat einmal behauptet: „Von uns kann mancher Hedefonds noch etwas lernen“. Tatsächlich hatte Porsche die Übernahme durch den Aufbau einer so genannten synthetischen Optionsstrategie vorbereitet. Im Rahmen dieser Strategie erwarb Porsche laufend Call-Optionen auf VW-Aktien und gleichzeitig wurden Put-Optionen verkauft. Dabei durfte der Kurs der VW-Aktien jedoch nicht über ein gewisses Niveau steigen, damit der Preis für die immer wieder angeschafften Call-Optionen noch plan- und finanzierbar blieb. Der Kurs durfte aber auch nicht unter ein gewisses Niveau fallen, damit die verkauften Put-Optionen nicht ausgeübt wurden. Die Klägerin macht geltend, dass gerade der Verkauf der Put-Optionen existenzbedrohende Verlustrisiken für Porsche mit sich brachte. Nach ihrer Einschätzung ist die Optionsstrategie Porsches für die Würdigung des streitgegenständlichen Sachverhalts sogar zentral. Denn das Motiv Porsches für die Meldung vom 10.03.2008 und die „Offenlegung“ vom 26.10.2008 würde klar erkennbar: Beide Meldungen hätten ausschließlich der Kursmanipulation gedient. Danach sollte die Meldung vom 10.03.2008 einem Kursanstieg aufgrund von Übernahmephantasien entgegenwirken und die Meldung vom 26.10.2008 sollte den aufgrund der Finanzkrise eingetretenen Kursverfall der VW-Aktie beenden, damit die verkauften Put-Optionen nicht ausgeübt werden.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt unter dem Aktenzeichen 159 Js 34671/10 gegen die bei Porsche verantwortlich handelnden Personen, insbesondere den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Wendelin Wiedeking und den ehemaligen Finanzvorstand Holger Härter.
Bei dem spektakulär gescheiterten Übernahmeversuch, der im Jahr 2008 seinen Höhepunkt erreichte und der im Jahr 2009 die bis vor kurzem noch geplante umgekehrte Übernahme von Porsche durch VW („Downstream-Merger“) einleitete, handelt es sich um einen in der deutschen Wirtschaftsgeschichte einmaligen Vorgang.
Der durch diese Vorgänge verursachte Gesamtschaden dürfte nach groben Schätzungen im dreistelligen Milliarden-Euro-Bereich liegen, weil es sich um einen relativ langen Zeitraum und bei den VW-Aktien um einen sehr hoch kapitalisierten Wert handelt. Deshalb ergab sich aus diesen Vorgängen für Porsche im Jahr 2008 auch ein Rekordergebnis aus der Spekulation mit VW-Aktien, welches das Ergebnis der Autosparte in den Hintergrund treten ließ.
Nach Einschätzung der beauftragten Rechtsanwaltskanzleien CLLB und DRRT ist die Klage deshalb auch auf die (nur) teilweise Umverteilung der ungerechtfertigen Bereicherung Porsches zur Entschädigung der getäuschten Investoren gerichtet.