EuGH-Generalanwalt – Schadenersatz im Abgasskandal auch bei Thermofenster möglich

München, 03.06.2022. Für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal reicht es bereits aus, wenn der Autohersteller fahrlässig gehandelt hat. Das hat EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos am 2. Juni 2022 in seinem Schlussplädoyer deutlich gemacht (Az.: C-100/21). „Folgt der EuGH dem Schlussantrag des Generalanwalts, könnte ein ganz neues Kapitel in der Rechtsprechung im Abgasskandal aufgeschlagen werden. Demnach ist es nicht mehr nötig, dem Hersteller Vorsatz und Sittenwidrigkeit bei der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen nachzuweisen. Das erhöht die Chance auf die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen noch einmal deutlich, insbesondere auch bei der Verwendung von Thermofenstern bei der Abgasreinigung“, sagt Rechtsanwalt Franz Braun, CLLB Rechtsanwälte.

Thermofenster bei der Abgasreinigung werden von Mercedes und vielen anderen Autohersteller bei Dieselfahrzeugen verwendet.

Der EuGH hatte schon in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass Abschalteinrichtungen nur dann ausnahmsweise zulässig sein können, wenn sie dem unmittelbaren Schutz des Motors vor Beschädigung dienen. Das ist bei Thermofenstern allerdings nicht der Fall. Sie sorgen dafür, dass die Abgasrückführung nur in einem festgelegten Temperaturkorridor vollständig arbeitet und bei höheren bzw. niedrigeren Temperaturen zurückgefahren oder ganz abgeschaltet wird. Folge ist ein Anstieg der Stickoxid-Emissionen. So soll der Motor langfristig vor Versottung geschützt werden.

Dies rechtfertigt nach der Rechtsprechung des EuGH allerdings nicht den Einsatz einer Abschalteinrichtung. Dennoch taten sich die deutschen Gerichte und der BGH bisher schwer, Mercedes wegen des Einsatzes eines Thermofensters zu Schadenersatz zu verurteilen. Selbst wenn ein Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, müsse dem Autohersteller auch vorsätzlich sittenwidriges Verhalten nachgewiesen werden. Die EG-Typengenehmigung ziele darauf ab, die Allgemeinheit zu schützen und nicht die Interessen des einzelnen Käufers.

„Dieser Argumentation hat der EuGH-Generalanwalt nun einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Er stellte klar, dass der Käufer eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung Anspruch auf Schadenersatz gegen den Hersteller habe und es für den Anspruch bereits ausreiche, dass der Autobauer fahrlässig gehandelt hat“, so Rechtsanwalt Braun.

In dem Verfahren vor dem EuGH geht es um einen Mercedes C 220 CDI. Der Kläger machte Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung eines Thermofensters geltend. Das Landgericht Ravensburg bewertet das Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung. Der EuGH sollte nun klären, ob Mercedes auch bei einfacher Fahrlässigkeit auf Schadenersatz haftet.

Diese Frage hat EuGH-Generalanwalt Rantos eindeutig bejaht. Mit der EG-Übereinstimmungsbescheinigung versichere der Autohersteller dem Käufer, dass das Fahrzeug den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Ist das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet, habe der Käufer daher einen Ersatzanspruch gegen den Hersteller. Hierfür müssten die Mitgliedsstaaten der EU wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen verhängen.

Folgt der EuGH mit seinem Urteil den Ausführungen des Generalanwalts, was in der Regel der Fall ist, erhöhen sich die Chancen auf Schadenersatz im Abgasskandal noch weiter. „Insbesondere können dann auch Schadenersatzansprüche wegen eines Thermofensters durchgesetzt werden, ohne dem Hersteller Vorsatz und Sittenwidrigkeit nachweisen zu müssen“, so Rechtsanwalt Braun.

Mehr Informationen: https://www.diesel-abgasskandal.de/mercedes-abgasskandal/

 

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